Gedichte von Erich Fried
Kein Unterschlupf
Nicht sich verstecken
vor den Dingen
der Zeit
in die Liebe
Aber auch nicht
vor der Liebe
in die Dinge
der Zeit
Dich
Dich nicht näher denken
und dich nicht weiter denken
dich denken wo du bist
weil du wirklich dort bist
Dich nicht älter denken
und dich nicht jünger denken
nicht größer nicht kleiner
nicht hitziger und nicht kälter
Dich denken und mich nach dir sehnen
dich sehen wollen
und dich lieb haben
so wie du wirklich bist.
Die Zeit der Steine
Die Zeit der Pflanzen
dann kam die Zeit der Tiere
dann kam die Zeit der Menschen
nun kommt die Zeit der Steine
Wer die Steine reden hört
weiß
es werden nur Steine bleiben
Wer die Menschen reden hört
weiß
es werden nur Steine bleiben
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Aber solange ich atme
Auch was
auf der Hand liegt
muss ich
aus der Hand zu geben
bereit sein
und muss wissen
wenn ich liebe
dass es wirklich
die Liebe zu dir ist
und nicht nur
die Liebe zur Liebe zu dir
und dass ich nicht
eigentlich
etwas Uneigentliches will
Aber
solange ich atme
will ich
wenn ich den Atem
anhalte
deinen Atem
noch spüren
in mir
Durcheinander
Sich lieben
in einer Zeit
in der Menschen einander töten
mit immer
besseren Waffen
und einander verhungern lassen
Und wissen
dass man wenig dagegen tun kann
und versuchen
nicht stumpf zu werden
Und doch
sich lieben
Sich lieben
und einander verhungern lassen
Sich lieben und wissen
dass man wenig dagegen tun kann
Sich lieben
und versuchen nicht stumpf zu werden
Sich lieben
und mit der Zeit
einander töten
Und doch sich lieben
mit immer besseren Waffen